Bad Dürkheim Zurück in die psychedelischen 70er

Zu einer Reise in die deutsche Musikvergangenheit hatte das Gasthaus „Adler“ in Weisenheim am Sand am Freitagabend eingeladen. Nur eine überschaubare Anzahl von Gästen war dem Ruf gefolgt. Schade. Denn Ax(el) Genrich, heute 69-jähriges Ex-Mitglied der „Krautrock“-Band Guru Guru, zog im „Adler“ erwartungsgemäß souverän alle Register seines Gitarristenkönnens. „Krautrock“, jene Musik aus Rock- und Jazz-Elementen mit meist fünf- bis zehnminütigen oder längeren Stücken, kam Ende der 1960er Jahre auf. Das Rhein-Neckar-Delta gehörte damals zu den Brennpunkten der Szene. Aber wer erinnert sich schon noch an „Amon Düül“, „Karthago“, „Kin Ping Meh“, „Kraan“ oder an Mani Neumeiers „Guru Guru“? Genrich gehörte zu den frühen Bandmitgliedern von Guru Guru, aber „nur bis 1973“, so erinnert er sich. „Danach war ich erst mal zu Hause, lebte im Odenwald, machte Folk, so um 1976 war Folklore und Mittelalter sehr angesagt“. Später „erfand“ Genrich den „New Wave und Punk“ mit, und zwar mit der Formation „Riff“, die im Raum Heidelberg bekannt war. „Wir haben damals nur eine Kassette, kein Vinyl aufgenommen“, bedauert er heute. Somit blieb ihm der große Durchbruch verwehrt. Genrich spielte auch mit Erwin Ditzner Rockabilly. „Ich habe mich so durchgehangelt“, bekennt er. Heute tritt er oft im Verbund mit den „Pancakes“ und den „Space Debris“ (übersetzt „Weltraumschrott“) auf, tanzbarer Electro-Psychedelic mit Genrich als Top Act. Nach wie vor setzt er auf eigene Stücke: Langsam und behutsam aufgeschichtete Klanggebilde, psychedelisch voller Klangeffekte, die mit einer akkurat vor ihm angeordneten Batterie von Effektgeräten und nicht am Computer erzeugt werden und viel Platz für Improvisation lassen. So auch am Freitag im „Adler“. Mit fast weißem Rauschebart, wachen Augen und einer Spielfreude fegt er entspannt, aber präzise in einem Höllentempo über die Saiten. Keine Unsauberkeit lässt sich da hören oder sehen. Sein Solo buchstäblich zum Niederknien, um die Effektgeräte nachzujustieren. „Zaragoza“ heißt das Stück. In „Go! Lemgo“ werden Riffs unterbrochen von gerufenen Buchstaben, Variationen in Rhythmen und Metrik, garniert mit wohldosierten Rückkopplungen. Genrich singt dazu geheimnisvoll beschwörend, mit einer jungen Stimme, die in den 1970ern geblieben scheint. Er wird von Steff Bollack am Schlagzeug und Mario Fadani am Bass begleitet. „Gell, da warst du noch nicht geboren, doch, dafür machst du’s gut“, loben die durchweg fachkundigen, teils aus dem Ausland angereisten Gäste den „jungen“ Bassisten, der sich autodidaktisch in die Zeit hineingearbeitet hat. Bollack weiß, wie man mit druckvollem Spiel die Spannungsbögen auf- und wieder abbaut. Ganz nebenbei führen die Musiker ein Klischee der 70er ad absurdum: „Rauschmittel“ gehören ganz offenbar nicht mehr zum guten Ton. Am Freitagabend wird nicht einmal eine Zigarette geraucht. Die Musik ist durchaus für jüngere Ohren geeignet, die mal etwas „Neues“ hören möchten, weitab vom Zwei-Minuten-30-Diktat der „Nur die Hits“-Zeit.

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