Meinung US-Ukraine-Hilfe: Erfolg für den „Verräter“

Der Republikaner Mike Johnson ist Sprecher des Repräsentantenhauses.
Der Republikaner Mike Johnson ist Sprecher des Repräsentantenhauses.

Endlich hat das US-Repräsentantenhaus die Militärhilfe für die Ukraine beschlossen. Das Schicksal von Parlamentssprecher Johnson hängt nun von den Demokraten ab.

Die Entscheidung kommt spät. Kostbare Monate sind durch unzählige, teils widersinnige Winkelzüge der Republikaner im US-Kongress verloren gegangen, die alleine dem zynischen Wahlkampfkalkül ihres Vormanns Donald Trump dienten. Nun hat endlich eine Mehrheit des Repräsentantenhauses die Blockade durchbrochen und den Weg für neue Ukraine-Hilfen freigemacht. Die Zustimmung des Senats und die Unterschrift des Präsidenten sind so gut wie sicher. Noch vor Monatsende könnten neue Waffen in dem von Russland überfallenen Land sein.

Die schnelle Lieferung des Militärmaterials ist angesichts der zunehmenden Übermacht des Aggressors extrem wichtig. Doch mindestens so bedeutsam ist die politische Wirkung des Beschlusses: Die USA stehen auch im politisch heiklen Wahljahr an der Seite der Ukraine. Das durchkreuzt das Kalkül des russischen Machthabers Wladimir Putin, der auf eine Ermüdung des Westens und einen Diktatfrieden setzt. Und es erhöht den Druck auf die Nato-Partner.

War es echte Einsicht?

Die Ukraine ist nun eindeutig gestärkt: politisch, moralisch und militärisch. „Solange Amerika hilft und unterstützt, werden Demokratie und Freiheit niemals untergehen“, erklärte Präsident Wolodymyr Selenskyj. Ausdrücklich dankte er dem republikanischen Parlamentssprecher Mike Johnson.

Das lenkt den Blick auf die verworrenen innenpolitischen Kämpfe in Washington, die den Beschluss nach monatelangen Querschüssen plötzlich möglich gemacht haben. Tatsächlich spielt Johnson eine Schlüsselrolle. Niemand weiß, was den langjährigen Hinterbänkler aus Louisiana plötzlich dazu gebracht hat, sich gegen die Hardliner in seiner Partei zu stellen und die vom Senat bereits beschlossenen Ukraine-Hilfen leicht modifiziert und in trickreicher Verpackung durchs Parlament zu bringen. War es echte – wenn auch späte – Einsicht in die Notwendigkeit? Der Wunsch, in die Geschichtsbücher einzugehen? Oder die Angst, dass ihn die Demokraten ansonsten mit einem eigenen Vorstoß entmachten könnten?

De facto regiert eine große Koalition

Mike Johnson hat angesichts der hauchdünnen republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus persönlich viel riskiert. Schon zuvor hatten ihm Hardliner um die rechtsextreme Trump-Vertraute Marjorie Taylor Greene mit der Abwahl gedroht. Nun unterstützten zwar 101 Republikaner die Ukraine-Hilfen, was eine bemerkenswerte Absage an die isolationistische Trump-Politik ist. Eine fraktionsinterne Mehrheit stimmte aber gegen die Vorlage ihres „Speakers“. Das Gesetz kam nur durch, weil gleichzeitig alle Demokraten dafür stimmten.

De facto regiert in Washington nun also eine große Koalition. Doch dürfte das kaum von Dauer sein. Die Hardliner bei den Republikanern schäumen. Bei nächster Gelegenheit dürften sie versuchen, Johnson aus dem Amt zu jagen. Wenn ihm dann ein paar Demokraten mit ihren Stimmen das politische Überleben retten, würde das Johnson in den Augen seiner Gegner endgültig zum Verräter machen. Dieses Mal hat ihn Partei-Pate Trump aus taktischen Gründen gewähren lassen. Sollte der Möchtegern-Autokrat aber die Wahl gewinnen, gibt es keinen Grund mehr für Rücksichtnahmen. Dann wäre nicht nur das Schicksal von Johnson, sondern auch das der Ukraine besiegelt.

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