Meinung CDU: Auf der Suche nach dem konservativen Kern

Organisierte die Arbeit am neuen CDU-Grundsatzprogramm: CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann.
Organisierte die Arbeit am neuen CDU-Grundsatzprogramm: CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann.

Die CDU versucht den Spagat: Sie präsentiert sich konservativer als bisher, will aber die Wähler der Mitte nicht verschrecken.

Erst zum vierten Mal in ihrer Geschichte formuliert die CDU ein Grundsatzprogramm, das letzte stammt aus dem Jahr 2007. Wer dieses durchliest, wird den Begriff Digitalisierung nirgends finden. Über China und Indien heißt es in dem 17 Jahre alten Papier, man wolle deren Entwicklung unterstützen, damit diese „Teilhaber an der internationalen Ordnung werden“. Und mit Russland wird „eine strategische Partnerschaft“ angestrebt. Es ist in fast jeder Zeile zu spüren, dass die Zeit über dieses Grundsatzprogramm hinweggegangen ist.

Insofern war es klug von CDU-Chef Friedrich Merz, der Partei einen neuen Kompass an die Hand zu geben. Zumal das Ende der Merkel-Ära und das Ausscheiden aus der Regierung eine harte Zäsur für die CDU darstellen. Angela Merkel verzichtete denn auch folgerichtig darauf, am Parteitag in Berlin teilzunehmen und demonstrierte damit einmal mehr ihre Distanz zu der Partei, die sie mehr als 20 Jahre als Vorsitzende führte. Das Bedauern in der Parteiführung war überschaubar.

Friedrich Merz verbindet mit dem 70-seitigen Grundsatzprogramm zwei naheliegende Ziele. Es soll zum einen als Signal nach innen wirken – Stichwort Selbstvergewisserung –, zum anderen als Orientierung für alle, die sich überlegen, die CDU zu wählen. Anders als Parteien, die auf eine bestimmte Wählerklientel festgelegt sind, stellt sich für die CDU als Volkspartei die große Herausforderung, eine Klammer zu setzen um ein großes bürgerliches Lager.

Merz formuliert hohen Anspruch

Diesem Lager gehören Menschen unterschiedlicher Konfessionen, sozialer Klassen und politischer Standpunkte an. Ihnen will die CDU nach Merz’ Worten „Orientierung, Halt und Zuversicht in unsicherer Zeit“ geben. Womit der Parteivorsitzende einen hohen Anspruch formuliert. Erkennbar ist bei der CDU auch das Bedürfnis, sich mit dem neuen Grundsatzprogramm als explizit konservative Partei abzugrenzen von rechtspopulistischen und rechtsradikalen Kräften. Die deutlichen Worte des Vorsitzenden in seiner Rede zum Kampf gegen alle, „die unsere Werte beschädigen und zerstören wollen“, wurden am stärksten mit Applaus honoriert.

Erkennbar ist das Bemühen der Autoren des Grundsatzprogramms, keinem Lager einseitig Geltung zu verschaffen. Die CDU verfügt schließlich auch über soziale und liberale Wurzeln. Die Wahl des Chefs des Arbeitnehmerflügels, Karl-Josef Laumann, zum Partei-Vize wirkt als Gegengewicht zum wirtschaftsliberalen Flügel.

Bekenntnis zur Leitkultur

Gleichwohl spiegeln sich im Grundsatzprogramm konservative Positionen, etwa beim Aufregerthema Zuwanderung. Dass Asylanträge nach CDU-Denkart künftig in einem sicheren Drittstaat bearbeitet werden sollen, klingt in der Theorie einfacher, als es in der Praxis umsetzbar wäre. Das Bekenntnis zur deutschen Leitkultur oder die Ächtung des Islamismus bedienen den Wunsch der Christdemokraten nach einem Rechtsstaat auf der Grundlage abendländischer Werte. Es ist anzunehmen, dass die von der CDU geforderte schrittweise Rückkehr zur Wehrpflicht und das verpflichtende Gesellschaftsjahr über den Parteitag hinaus zu öffentlichen Debatten führen wird.

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