Meinung Museen: Orte, in denen noch Gemeinschaft passiert

Das Schuhmuseum in Hauenstein.
Das Schuhmuseum in Hauenstein.

Museen vertrauen die Deutschen laut einer repräsentativen Studie von allen öffentlichen Akteuren am meisten.

Die Müllabfuhr und die Museen – von Forsa erforscht kam vergangenes Jahr heraus, dass die beiden von allen öffentlichen Einrichtungen am besten bewertet werden. Die einen entsorgen das Überflüssige, die anderen bewahren, was bleiben soll. Jetzt zeigt sich, das Museum ist auch die Institution, der die Menschen, egal ob Mann, Frau, alt, jung, arm, reich, aus Annweiler oder Anatolien am meisten vertrauen. Sogar die fünf Prozent derjenigen, die angeben, nie ins Museum zu gehen.

Nur Freunde und Familie erscheinen den repräsentativ Online-Befragten der Studie des Instituts für Museumsforschung verlässlicher. Lediglich für Wähler der AfD – der Partei, die die gesellschaftlichen Fliehkräfte bewirtschaftet – und für Arbeitslose sind die Zahlen unterdurchschnittlich. Am wenigsten – noch hinter den Parteien – wird sozialen Medien geglaubt. Gleichrangig mit den Kirchen. Elon Musks X (ehemals Twitter) und die ehemals allein selig machende katholische Kirche in einem Atemzug, das ist atemraubend. Heißt auch: Am Ende der Skala stehen die, die auf die ein oder andre Art polarisieren. Vorne die, die harmonisieren, denn laut der Studie ist der Hauptgrund dafür, dass sich alle auf das Museum einigen können, seine wahrgenommene Neutralität. Vielleicht meint man auch, im Museum einfach einmal nichts meinen zu müssen.

Museen gelten zu Unrecht als elitär

Als die „letzten verbliebenen Institutionen des gesellschaftlichen Lagerfeuers“ beschreibt die Museumsinstitutsdirektorin Patricia Rahemipour jedenfalls die wärmende Funktion des Hauensteiner Schuhmuseums oder des Terra Sigillata Museums in Rheinzabern. Vor allem im ländlichen Raum gelten die Häuser mit Bildungshintergrund als Grundfeste der sozialkulturellen Daseinsvorsorge, als Orte abseits des Fußballplatzes, in denen noch Gemeinschaft passiert. Aber auch im von Hinz und Korkmaz bewirtschafteten Ludwigshafener Hack-Museumsgarten hat sich eine egalitäre Urban-Gardening-Gemeinde etabliert; das Bibelgärtchen der evangelischen Stadtkirche liegt gegenüber der Thai-Spinat-Aufzucht einer chinesischen Familie. Derweil läuft in der Mannheimer Kunsthalle die Vortragsreihe „Wie zusammen leben“. Am Ende wird auf dem Skulpturenplatz der Kunsthalle eine Küche aufgebaut: zum gemeinsamen Kochen. Einladung an alle.

Zu Unrecht gelten die 7000 Museen in Deutschland als elitäre Veranstaltung. Die meisten Häuser, 3000 davon, sind Volks- und Heimatkundemuseen wie etwa das Docu Center in Ramstein, das die Geschichte der Amerikaner in Rheinland-Pfalz überblickt. Rund 120 Millionen Museumsbesucherinnen und -besucher im Jahr vor Corona können nicht irren. Wie ein Wachkuss mit juckender Maske war es so, als während der Pandemie die ersten Häuser wieder öffneten. Für 2021 weist die Statistik trotz Pandemie-bedingter Schließzeiten rund 40 Millionen Besuche aus.

Möglichkeit der unkomplizierten Selbstvergewisserung

35 Prozent der Befragten der oben genannten Studie geben an, dass sie mindestens einmal im Jahr ins Museum gehen, sechs Prozent mindestens einmal im Quartal. Museen sind Anlaufstellen einer unkomplizierten Selbstvergewisserung, die von Herkunft und Verwurzelung erzählen. Orte, um festen Boden unter die Füße zu kriegen. Gerade jetzt, wo alles ins Rutschen geraten ist. Ihr enormes gesellschaftspolitisches Potenzial hat offensichtlich auch Papst Franziskus erkannt. Beim Besuch der Kunstbiennale in Venedig, einer Art Weltmuseum auf Zeit, sagte das Kirchen-Oberhaupt: Kunst spiele eine wichtige Rolle im Kampf gegen „Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Ungleichheit und für das ökologische Gleichgewicht“. Ein Satz, der unser vollstes Vertrauen genießt.

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