Wissen Medikamente: 3000 Tonnen Müll durch Tablettenhüllen

Ausgeleerte Blisterpackungen mit Tabletten verschiedener Farben und Formen, weißer Hintergrund *
Ausgeleerte Blisterpackungen mit Tabletten verschiedener Farben und Formen, weißer Hintergrund *

Rund 3000 Tonnen an bisher nicht recycelbarem Verpackungsmaterial könnten allein in Deutschland jedes Jahr vermieden werden, wenn medizinische Tabletten und Kapseln platzsparender in ihren Blisterstreifen angeordnet wären.

Die bisher unbeachtete Müllquelle im Gesundheitswesen haben eine Nachwuchswissenschaftlerin und ein Klinischer Pharmakologe des Universitätsklinikums Heidelberg unter die Lupe genommen. Olivia Falconnier‑Williams und Walter Haefeli, Ärztlicher Direktor der Klinischen Pharmakologie, vermaßen und wogen die Blisterverpackungen der 50 am häufigsten in Deutschland verschriebenen Tabletten und Kapseln und berechneten daraus das jährlich anfallende Gewicht gebrauchter Blisterstreifen. Auf dieser Basis schätzten sie, wie viel Verpackungsmaterial sich bei anderer Anordnung der Kammern einsparen ließe.

Anders als beispielsweise im amerikanischen Raum seien Tabletten und Kapseln in Europa jeweils einzeln in hohlen Kammern eines Blisterstreifens verschweißt, berichten sie. Dieser bestehe aus einem Verbund verschiedener Kunststoff-Polymere und/oder Aluminiumfolien. „Derzeit gibt es keine wirtschaftlichen Verfahren, die Materialien wieder voneinander zu trennen, um sie recyclen zu können. Gebrauchte Blisterstreifen landen in Deutschland ausnahmslos im Restmüll“, erläutert Haefeli und kritisiert die Ressourcenverschwendung.

Die Vermessung ergab: Die Abstände zwischen den Kammern machen durchschnittlich rund 70 Prozent des Blistermaterials aus. Für die betrachteten 50 meistverkauften Tabletten und Kapseln schätzte das Team das für die Zwischenräume verbrauchte Material auf 3868 Tonnen. Hochgerechnet auf alle in Deutschland pro Jahr vertriebenen Medikamente dieser Art ergeben sich mehr als 8500 Tonnen Blistermaterial. „37 Prozent davon ließen sich jährlich einsparen, wenn man die Tabletten in zwei Reihen mit jeweils zwei Millimetern Abstand anordnen würde“, schlagen Williams und Haefeli vor. Dieser Mindestabstand sei den Materialeigenschaften der Folierung geschuldet: Er soll sicherstellen, dass die Blisterkammern dicht und handhabbar bleiben.

Spezielle Gründe für größere Kammerabstände gebe es nicht, weder aus pharmakologischer noch aus Nutzersicht. Die Verpackungsdichte beeinflusse die Haltbar- oder Wirksamkeit des Medikaments nicht. Auch ließen sich die Tabletten bei einem bestimmten Abstand nicht besser oder schlechter aus dem Blister drücken. „Haben Patientinnen und Patienten Probleme, die Tabletten auszupacken, liegt das in der Regel am unnachgiebigen Material der Deckfolie, durch die das Arzneimittel gedrückt werden muss“, so der Klinische Pharmakologe. Hinzu komme, dass gleiche Medikamente von verschiedenen Herstellern nicht nur in unterschiedlicher Tablettenform und -größe, sondern auch in Blistern mit unterschiedlichen Kammerabständen angeboten würden. Vorgaben gebe es nicht. „Ausschlaggebend ist wahrscheinlich hauptsächlich die maschinelle Ausstattung des jeweiligen Verpackungsunternehmens“, meint Haefeli.

Die Idee zur Untersuchung sei ihr in der Abitur-Vorbereitung gekommen, berichtet Olivia Falconnier Williams, Tochter einer Apothekerin in der Schweiz. „Ich wollte mit einem alltäglichen Beispiel, den Blisterverpackungen von Medikamenten, zeigen, welch großen ökologischen Unterschied kleine, unscheinbar erscheinende Anpassungen machen können“, sagt sie. Haefeli hofft, dass andere Verpackungen wie Blisterstreifen für Kaugummis, Batterien etc. ebenfalls sehr kritisch überdacht werden.“

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